Die Welt in Hamburg im Miniatur Wunderland

EditorsChoice Foto: Jörg Modrow/laif

Geld spielt keine Rolle, wenn es um die kreativen Ideen der Mitarbeiter geht: Frederik Braun, Miniatur-Wunderland-Gründer, über die Entwicklung der weltweit größten Modelleisenbahn.

Wir werden die größte Modelleisenbahn der Welt bauen“: Mit dieser Idee überrumpelte Frederik Braun seinen Zwillingsbruder Gerrit. 2001 wurde die spinnerte Idee wahr. Frederik Brauns Begeisterung ist auch heute ansteckend, er redet schnell und mitreißend, fast ist es, als würde er vor Freude Funken sprühen.

ADAC Reisemagazin: Was bringt Sie zum Träumen?
Frederik Braun: Ich bin jemand, der seine Träume verwirklicht. Wenn ich eine Idee habe, dann entstehen sofort Bilder in meinem Kopf, wie das aussehen könnte. Auch das Miniatur Wunderland war komplett in meinem Kopf! Ich hatte genau vor Augen, dass die Züge nicht so geradlinig fahren, wie es damals üblich war.

ADAC Reisemagazin: Das Miniatur Wunderland steht vor einer großen Erweiterung, eine Brücke über das Fleet erschließt neue Räume.
Frederik Braun: Ursprünglich sollte das eine Ärmelkanalüberquerung werden, wir wollten hier Frankreich und drüben England bauen. Aber das ist ja alles Europa und baulich sehr ähnlich. Aber zu uns kommen Gäste aus allen Gegenden der Welt. Und für diese Gäste, die von weit her kommen, ist Europa wie ein Land, alles ist eins. Der von weit her gereiste Tourist, der will andere Kontinente sehen. Jetzt kommt da Südamerika hin. Das bauen wir mit Familie Martinez aus Buenos Aires. Es wird das authentischste Südamerika überhaupt: Die Südamerikaner wissen, wie es aussieht, wir wissen, wie es klischeehaft aussehen soll.

ADAC Reisemagazin: Ist das Miniatur Wunderland eine Möglichkeit, Urlaub zu machen, ohne weite Reisen in Kauf zu nehmen?
Frederik Braun: Es wird zwar häufig so beschrieben: Du kannst die ganze Welt in einer Stunde bereisen. Aber deswegen kommt kein Einziger – sondern weil das eine coole Ausstellung ist. Wir haben bald eine Million Arbeitsstunden hineingesteckt. Und diese Superlative, diese Schönheit, diese Liebe zum Detail wollen sie sehen. Aber es könnte
niemals einen Urlaub in dem jeweiligen Land ersetzen. Du kannst es nicht riechen, du kannst es nicht spüren.

ADAC Reisemagazin: Was wollen die Besucher sehen?
Frederik Braun: Am liebsten Städte, spektakuläre Bauten. Sie wollen Bewegung sehen. Sie werden auch den Regenwald großartig finden, 
aber der darf sich nicht über viele Quadratmeter wiederholen. Wir versuchen, unsere Abschnitte so spannend wie möglich zu gestalten. Dann ist es auch manchmal nicht ganz realistisch.

ADAC Reisemagazin: Die Realität hält Einzug durch die Haltung, die das Miniatur
Wunderland zeigt.
Frederik Braun: Wir geben uns viel Mühe. Oder anders gesagt: Wir halten nicht das Maul. Die Tierwohl-Aktion war meine Lieblingsaktion, obwohl die uns viel Ärger gebracht hat. Wir haben eine sehr schöne Ausstellung daraus gebastelt, um zu zeigen, dass die Welt der Massentierhaltung wirklich nicht schön ist. Mein Bruder Gerrit sagte mal: Die Welt da draußen muss schöner werden, dann können wir sie hier auch schöner darstellen.

ADAC Reisemagazin: Was ist im Miniatur Wunderland besser als in der Realität?
Frederik Braun: Ich würde das Wunderland nicht pauschal als besser bezeichnen. Wir haben hier ein Kohlekraftwerk, wir haben eine Müllverbrennungsanlage, wir haben alles drin, was die Welt dreckig macht. Es gibt Streit, Unfälle, Schlägereien, das Wunderland stellt das ganze Leben dar. Was hier super ist: Die Besucher sind glücklich. Sie verlassen für einen Moment die Probleme des Alltags.

ADAC Reisemagazin: Was besser funktioniert hat: Ihre Elbphilharmonie wurde pünktlich fertig.
Frederik Braun: Auch wir haben einen Bauverzug gehabt. Wir mussten die Eröffnung zweimal verschieben. Aber dann war sie fertig und wir haben eröffnet. Das war ein toller Termin. Die Kultursenatorin hat eine wunderbare Rede gehalten, voller Selbstironie. Und der Intendant Herr Lieben-Seutter hatte endlich mal ein Konzert.

ADAC Reisemagazin: Sie haben schon Angebote aus aller Welt bekommen, weitere Wunderländer zu bauen.
Frederik Braun: Aus Asien, aus New York, aus London, aus Dubai. Das verrückteste Angebot kam aus Abu Dhabi: 100 Millionen Dollar für ein Wunderland. Das wäre heftig geworden, aber danach hätten wir nicht mehr arbeiten müssen. Nie haben wir über ein einziges dieser Angebote auch nur nachgedacht. Das zeichnet sich in der Pandemie aus: Du hast den Überblick, du hast nur dein 
Unternehmen zu führen und du hast es 
auf sichere Beine gestellt.

ADAC Reisemagazin: Wenn andere ein Wunderland haben wollen, könnten die sich doch einfach eins bauen?
Frederik Braun: Das machen viele. Für „Gulliverʼs Gate“, ein Wunderland am Time Square in New York, wurden 40 Millionen Dollar eingesammelt. Es ist schon wieder geschlossen.

ADAC Reisemagazin: Was haben die falsch gemacht?
Frederik Braun: Wir sind mit 40 Wunderländern zur Er
öffnung hingefahren. Die Wunderländer 
fanden es gar nicht gut, ich fand es nicht so schlecht. 32 Dollar Eintritt und es war, 
nun ja, nett. Ein anderes Konzept, weg 
von der Eisenbahn hin zur klassischen 
Mini-Welt. Aber: Mit Geld kannst du keine 
Liebe kaufen.

ADAC Reisemagazin: Was ist im Miniatur Wunderland in Hamburg anders?
Frederik Braun: Hier spürst du einfach, dass die Modellbauer
und Techniker Bock darauf haben. Wir greifen so gut wie nie ein, auch wenn sie in der letzten Ecke, die nie ein Besucher sehen wird, noch etwas ausschmücken wollen. Wir gucken auch erst hinterher, was das gekostet hat, und denken dann manchmal: Hui, das ist ganz schön teuer geworden.

ADAC Reisemagazin: Das Miniatur Wunderland ist zum dritten Mal in Folge zur beliebtesten Sehenswürdigkeit Deutschlands gekürt worden. Es hat Neuschwanstein eingeholt. Das ist …
Frederik Braun: … verrückt. Das ist Teamwork. Mein Zwillingsbruder Gerrit und ich sind hier zwar die Vorturner, er im technischen Bereich, ich im sabbeligen Bereich, aber hier läuft fast jeder zu Höchstleistungen auf, was die Kreativität betrifft. Ich habe den Stein vielleicht ins Rollen gebracht, aber das Team haut die Ideen raus. Wir haben natürlich auch die Einnahmen dafür, verrückt zu denken. Wer kann sich schon eine Million Arbeitsstunden, die wir bald auf der Uhr haben, leisten – wenn wir nicht hier fast 20 Millionen Besucher gehabt hätten. Das ist alles gut gelaufen, mit ganz viel Glück. Wir sind am richtigen Ort zur richtigen Zeit gestartet. Und dass die Leute inzwischen restlos begeistert sind, ich kann das verstehen. Ich habe mir oft gewünscht, das Wunderland mal als Gast zu betreten und das noch nie vorher gesehen zu haben. Ich würde das feiern! Ein Teil des Erfolges ist, sich auf die andere Seite zu stellen und zu gucken, wie sich das anfühlt.

ADAC Reisemagazin: Bei den ersten Umfragen sah es so aus, als würde das Miniatur Wunderland bei den Männern super ankommen, bei den Frauen aber nicht.
Frederik Braun: Ja, da war es aber auf dem Papier noch eine Modelleisenbahn. Ich wusste aber schon, dass es das Miniatur Wunderland wird: Die Welt in Klein, in der zufällig eine Menge 
Eisenbahnen fahren. Und diesen Wissensvorsprung hatte ich, deshalb fühlte ich mich schon sehr bestätigt, dass es klappen wird.

ADAC Reisemagazin: Wie wichtig sind die Eisenbahnen jetzt noch?
Frederik Braun: Sehr, sehr wichtig! Die sind nicht wegzudenken. Viele sagen zwar: Ich bin nicht 
wegen der Eisenbahnen da. Aber die 
bringen Bewegung auf die Anlage.

ADAC Reisemagazin: Was wird es im Miniatur Wunderland niemals geben?
Frederik Braun: Ein Atomkraftwerk. Meine Mami hatte immer einen „Atomkraft – nein danke!“-Aufkleber auf ihrem Auto. Auch Krieg wollen wir nicht darstellen.

ADAC Reisemagazin: Was sind die Wunder im Miniatur Wunderland?
Frederik Braun: Die 269.000 Figuren, diese ganzen kleinen Geschichten, die sie erzählen.

Das Interview mit den Gründern des Miniatur-Wunderland in Hamburg führte Kirsten Rick, im ADAC Reisemagazin:

 

 

Foto: Miniatur Wunderland
Foto: Miniatur Wunderland

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Ein Besuch Miniatur-Wunderland in Hamburg in Ausgabe 183 – 3/2021 des ADAC Reisemagazin.